Für Dee Carvill, Innovation, Research and Human Practice Managerin bei WiseTech Global, ist es als Mutter von zwei Mädchen ein Herzensanliegen, die nächste Generation von Frauen in der Technologiebranche zu fördern und zu unterstützen.

Wir haben mit Dee über ihre Arbeit in der Technologiebranche gesprochen, darüber, welchen Rat Sie jungen Frauen und Mädchen, die eine Karriere in diesem Bereich anstreben, geben würde, und was der Internationale Frauentag für sie bedeutet.  

Wie empfinden Sie die Arbeit als Frau in der Technologiebranche?

Als Mutter von zwei Töchtern (9 und 11 Jahre alt) und als Frau ist es mir sehr wichtig, Frauen in diesem Bereich zu unterstützen. Ich hatte in meiner ganzen Karriere bisher das große Glück, mit überaus starken, zielstrebigen und inspirierenden Frauen und einigen wunderbaren Männern in progressiven Unternehmen zu arbeiten. Mir ist es sehr wichtig, jüngeren Frauen, die gerade ins Berufsleben einsteigen, durch Mentoring und Coaching weiterzuhelfen.

Als Frau ist man in der Technologiebranche oft in der Minderheit, darum finde ich es besonders wichtig, Frauen zu unterstützen und auch gegen Vorurteile oder Diskriminierung anzukämpfen, wenn man ihnen begegnet. Es ist erfreulich zu sehen, dass immer mehr Frauen in technischen Führungspositionen diese Barrieren abbauen, Vorurteile in Frage stellen und das Image positiv beeinflussen.

Was bedeutet der Internationale Frauentag (IWD) für Sie persönlich?

Dieser Tag ist absolut wichtig und ich sehe ihn auch als ein Anerkennung meiner selbst und der inspirierenden Frauen um mich herum. Er erinnert uns daran, die Leistungen von Frauen zu feiern. Ich bin sehr stolz darauf, eine Frau zu sein und ich bin auch sehr stolz auf all die Frauen in meinem Leben, die Wunderbares leisten, Stereotypen und Diskriminierung in Frage stellen und den Weg für die nächste Generation ebnen.

Er unterstützt die nächste Generation dabei, sich angenommen, wertgeschätzt und inspiriert zu fühlen. Einen Platz für Frauen zu schaffen und sie zu unterstützen ist unheimlich wichtig, wenn wir mehr Menschen in den Technologiebereich locken wollen. Wir können Frauen eine Stimme geben und sie dazu ermutigen, auch in einem Raum voller Männer eine abweichende Meinung oder Sichtweise zu vertreten. Dieses Netzwerk von Frauen, die einander unterstützen, ist so wichtig für den Aufbau von Selbstvertrauen. Der Internationale Frauentag ruft uns das ins Bewusstsein.

Was bedeutet das Thema des diesjährigen IWD „Break the Bias“ für Sie?

Ich habe dabei wohl immer meine Töchter im Hinterkopf. Mir ist wichtig, dass der Arbeitsplatz ein Ort ist, an dem die nächste Generation unterstützt und ermutigt wird, sich ohne Vorurteile zu entfalten. Ich denke also, dass die Arbeit, die wir jetzt zur Bekämpfung dieser Vorurteile leisten, dazu beitragen kann, den Weg für die nächste Generation herausragender Frauen zu ebnen.

Meine Mutter zum Beispiel ist immer noch eine der klügsten Personen, die ich kenne. Als sie aber in den 70er Jahren heiratete, war sie gezwungen, ihre Karriere an den Nagel zu hängen. Damals war man in Irland noch der festen Ansicht, dass man Kinder und Karriere nicht unter einen Hut bringen kann, es gab nur das eine oder das andere. Ich denke, dass wir seit damals riesige Fortschritte gemacht haben, indem wir Gleichberechtigung gefordert und durchgesetzt, die Wahrnehmung und Denkmuster verändert, und erreicht haben, dass Frauen einander unterstützen. Wir müssen diese Vorurteile weiterhin in Frage stellen und abbauen.

Welche Auswirkungen hat der Übergang zu einem hybriden Arbeitsmodell für sie als berufstätiges Elternteil?

Ich finde es ganz wunderbar und ich denke, COVID hat viele Unternehmen dazu gezwungen, größere Flexibilität zuzulassen, von der wir inzwischen wissen, dass sie enorm wichtig ist. Wir haben die Pendelzeit und Ablenkungen im Büro reduziert, aber am wichtigsten ist, dass wir erkannt haben, dass es möglich ist, bei der Arbeit von zu Hause sogar produktiver zu sein, sofern man weiterhin in Verbindung bleibt und Tools für eine kontinuierliche Zusammenarbeit nutzt, wenn man sich nicht persönlich gegenübersitzt.

Jetzt liegt auch ein stärkerer Fokus auf dem Wohlbefinden und der Kommunikation mit unseren Kollegen, was sehr erfreulich ist. Es ist toll, wie gut WiseTech die Arbeit von Zuhause und die hybride Arbeitsweise eingeführt hat und dass unsere Vorgesetzten und die Geschäftsleitung uns so gut dabei unterstützt. Für ein Unternehmen ist das eine große Leistung, derart nahtlos zwischen der Arbeit im Büro und zu Hause zu wechseln, und das auch noch so schnell.

Ich glaube, dass jedes Unternehmen, das talentierte Mitarbeiter*innen anziehen und halten will, eine flexible Belegschaft braucht und die Möglichkeit bieten muss, die Balance zwischen der Zeit mit Kindern, schulischen Aktivitäten und dem Leben außerhalb der Arbeit zu finden. Als berufstätige Mutter muss ich in der Lage sein, meine Kinder zu versorgen und gleichzeitig meine Arbeit richtig zu auszuüben, daher ist dieses Gleichgewicht enorm wichtig.

Worauf sind Sie besonders stolz, entweder im Beruf- oder Privatleben?

Ich bin sehr stolz an einer gemeinnützigen Organisation „Room to Read“ beteiligt zu sein, die sich durch Bildung weltweit für die Überwindung von Analphabetismus und geschlechtsspezifischer Ungleichheit einsetzt. Ein Drittel der Kinder auf der Welt hat keinen Zugang zu Bildung und über 750 Millionen Menschen sind Analphabeten, zwei Drittel davon Frauen und Mädchen. Da ich selbst zwei Töchter habe, liegt mir diese Mission besonders am Herzen. Frauen und Mädchen durch Bildung mehr Möglichkeiten zu eröffnen, hat mich sehr zur Mitarbeit motiviert.

Eine weitere Leistung, auf die ich stolz bin, war die Ausbildung zur Doula, als Unterstützung für Frauen während der Schwangerschaft und Geburt. Als ich diesen Prozess selbst erlebte, merkte ich, dass Unterstützung während der gesamten Schwangerschaft von entscheidender Bedeutung ist, und das war etwas, was ich mit Leidenschaft ausgeübt habe. Ich wollte Frauen alternative Möglichkeiten aufzeigen und ihnen das Wissen und die Kraft geben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.

Als Doula habe ich unzählige Frauen durch Coaching, Aufklärung und Unterstützung auf ihrem Weg zum Muttersein begleitet. In meinem Beruf nutze ich viele der Fähigkeiten, die ich als Doula erworben habe, als Mentorin und Coach. Es ist großartig, meinen Weg, die Herausforderungen und Hindernisse, die ich überwinden musste, und die Art und Weise, wie mir das gelang, mit anderen zu teilen und ich habe dadurch viel über mich selbst und meine eigenen Werte gelernt.

Welchen Rat würden Sie jungen Frauen geben, die am Anfang ihrer Karriere stehen?

Ich würde jedem jungen Menschen raten, nach fortschrittlichen Unternehmen mit der richtigen Arbeitskultur und flexiblen Arbeitsmethoden zu suchen und eine Unternehmen zu wählen, dessen Werte mit den eigenen übereinstimmen. Jedes Unternehmen muss sich anstrengen, um die besten Leute für sich zu gewinnen. Ich denke also, wenn wir von Unternehmen fordern, fortschrittlich zu sein, um die talentiertesten Leute anzuziehen und zu halten, dann können sie gar nicht anders.

Ich würde außerdem empfehlen, mit jemandem zu sprechen, dem man vertraut und sich Mentoren und Coaches zu suchen, die Feedback oder Ratschläge geben können. Wir alle haben schonmal mit dem „Hochstapler-Syndrom“ gekämpft, hatten kein Selbstvertrauen oder wussten nicht so recht weiter. Wenn man dann jemanden an der Seite hat, der einem den Rücken stärkt und die richtige Richtung weist, ist das unheimlich wertvoll. Insbesondere wenn man noch jung ist und gerade in ein Berufsfeld einsteigt, kann das sehr beängstigend sein. Wir alle lernen in unsere Karriere ständig dazu und es gibt immer jemanden, an den man sich wenden kann, der vielleicht etwas ähnliches erlebt oder ein ähnliches Hindernis überwunden hat. Meiner Erfahrung nach geben die meisten Menschen gerne Ratschläge und helfen anderen dabei, das Beste aus sich herauszuholen. Also, nur keine Angst, jemanden anzusprechen und um Unterstützung zu bitten!

Würden Sie Ihren Töchtern eine Karriere in der Technologiebranche nahelegen?

Eines meiner wichtigsten Anliegen ist es, mehr Frauen für diesen Bereich zu begeistern. Die vielfältigen und alternativen Sichtweisen von Frauen sind so wahnsinnig wertvoll und es freut mich sehr, dass mehr Frauen von der Schule und der Universität abgehen, die sich für eine technische Karriere interessieren.

Vor allem in der Schule kommen Kinder schon früh mit MINT-Fächern in Kontakt und das weckt das Interesse an der Branche und zukünftigen Karrieremöglichkeiten, was besonders für Mädchen sehr förderlich ist. Auch für meine Töchter – eine liebt MINT-Fächer und es ist toll zu sehen, wie sie sich für diese Fächer begeistert und nicht automatisch annimmt, dass das nur etwas für Jungs ist oder dass Jungs für diese Fächer besser geeignet wären.

Ich würde sie also auf jeden Fall darin bestärken. Wir müssen unser Denken und unsere Herangehensweisen erweitern und Frauen bringen hierbei vielfältige Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten ein.