Diesen Monat haben wir mit Holly gesprochen, um herauszufinden, wie das Arbeiten mit dem neuen Hybrid-Modell klappt, warum sie findet, dass Frauen eine starke Kraft sind und wie ihre Leidenschaft für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit zur Einführung der neuen Richtlinie für bezahlten Sonderurlaub bei häuslicher Gewalt für WiseTech in Australien führte.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Arbeit im Homeoffice gemacht?

Bei WiseTech gab es immer den Schwerpunkt, eine tolle Unternehmenskultur für alle Teammitglieder zu schaffen, und es war immer Leben im Büro. Ich fand es schön, jeden Tag ins Büro zu kommen und meine Kolleg*innen zu sehen. Es war also eine echte Umstellung für mich, als wir zum ersten Mal auf ein Homeoffice-Modell umgestiegen sind.

Ich glaube, die Pandemie hat verdeutlicht, was im Leben wirklich wichtig ist und es in den Mittelpunkt gerückt. Die Work-Life-Balance hat sich mit dem Homeoffice definitiv verbessert und mit dem Hybrid-Arbeitsmodell haben wir das Beste aus beiden Welten. Ich habe auch gemerkt, dass meine Produktivität gestiegen ist, weil ich mir meine Zeit effizienter einteilen und mich besser konzentrieren kann, wenn es darauf ankommt.

Mein Team kommt immer am selben Tag ins Büro, sodass wir gemeinsam Zeit verbringen können und das People-Operations-Team gibt sich große Mühe, um Wege zu finden, die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Teammitglieder zu sichern und Beziehungen zwischen unseren globalen Teams aufzubauen und zu fördern.

Haben Sie durch die Arbeit für ein globales Technologieunternehmen etwas besonderes dazugelernt?

Alles ist unglaublich schnelllebig, sodass man immer mehrere Dinge gleichzeitig beachten und unter einen Hut bringen muss. Ich habe gelernt, meine Zeit einzuteilen und Prioritäten zu setzen. Es ist einfach Wahnsinn, wieviel ich aufgrund der Schnelllebigkeit seither gelernt und wie ich mich weiterentwickelt habe. Für mich ist das eigentlich auch einer meiner Lieblingsaspekte an der Arbeit bei WiseTech.

Ich habe gelernt, dass es okay ist, auch mal Fehler zu machen und um Hilfe zu bitten. Es ist nicht möglich, jedes Mal alles 100 Prozent richtig zu machen, weil man fast tagtäglich neuen Herausforderungen begegnet oder Situationen, mit denen man noch keine Erfahrung hat. Es ist normal, bei der Arbeit und auch im Privatleben Fehler zu machen, und ich glaube, es liegt viel Stärke darin, das anzuerkennen.

Bei WiseTech werden wir dazu ermutigt, den Status quo herauszufordern, was für mich extrem motivierend ist. Es bedeutet, dass man seine Entscheidungen wirklich durchdenken und Verantwortung dafür übernehmen muss. Das Schöne an der Arbeit in einem globalen Technologieunternehmen ist, dass man von vielfältigen und enorm talentierten Menschen umgeben ist, die einem jeweils etwas anderes beibringen können. Wenn man also einen Fehler macht, gibt es immer jemanden, der helfen kann, ihn zu korrigieren.

Was ist Ihr bisher größter privater oder beruflicher Erfolg?

Um ehrlich zu sein, war das die Einführung unserer Richtlinie für bezahlten Sonderurlaub bei häuslicher Gewalt in Australien. Ich glaube, das war zu 100 Prozent der stolzeste Moment meines Lebens. Diese Richtlinie ist so wichtig, weil häusliche Gewalt jede*n, in jeder Lebenslage, betreffen kann. Es gibt zwar Menschengruppen, die hierbei einem größeren Risiko unterliegen, es kann jedoch wirklich jede*n betreffen.

Unsere australische Richtlinie ermöglichst es jedem Teammitglied, im Falle häuslicher Gewalt bis zu zehn Tage, innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, bezahlten Sonderurlaub zu nehmen. Wir hoffen, dass es Betroffenen somit möglich ist, die nötigen Schritte einzuleiten, um ein sicheres Umfeld für sich selbst und Angehörige zu schaffen, z.B. für Gerichts- oder Arzttermine, oder die Suche nach einer sicheren Unterkunft.

Wir geben jedem*jeder Betroffenen bei Bedarf Empfehlungen für geeignete Anlaufstellen für häusliche Gewalt mit fachkundigen Beratungsmöglichkeiten, und sind auf den Schutz der Privatsphäre bedacht, wenn sich jemand bezüglich der Richtlinie erkundigt oder sie in Anspruch nimmt. Drei Mitglieder des People-Operations-Team sind nun Teil des neuen Teams für Anliegen häuslicher Gewalt und können vertraulich über eine private Mailbox kontaktiert werden.

Die Einführung dieser Richtlinie ist enorm wichtig, da sie das Bewusstsein dafür in den Vordergrund rückt und unseren Teammitgliedern einen Anlass gibt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ihnen zeigt, wie sie einander helfen und unterstützen können, und sie ermutigt, darüber zu sprechen, sodass weitere Veränderungen folgen können.

Ich persönlich bin stolz darauf, für ein Unternehmen zu arbeiten, das die Gesundheit und das Wohlbefinden seiner Teammitglieder in den Vordergrund stellt und versteht, wie wichtig es ist, solche Richtlinien umzusetzen und aufrechtzuerhalten.

Was war die treibende Kraft für die Einführung der Richtlinie für Sonderurlaub bei häuslicher Gewalt in Australien?

Häusliche Gewalt ist etwas, was mir immer sehr nah lag, da ich die Auswirkungen direkt erlebt habe, und nachdem ich mich mit den Statistiken auseinandergesetzt hatte, wusste ich, dass wir handeln mussten. Nach Angaben des australischen Instituts für Gesundheit und Wohlergehen hat jede sechste Frau und jeder 16. Mann seit dem 15. Lebensjahr körperliche oder sexualisierte Gewalt durch einen aktuellen oder ehemaligen Partner erlebt, und jede vierte Frau und jeder sechste Mann hat seit dem 15. Lebensjahr emotionalen Missbrauch durch einen aktuellen oder ehemaligen Partner erlebt. Studien haben auch gezeigt, dass die Pandemie für viele Menschen mit dem Beginn oder der Eskalation von Gewalt und Missbrauch zusammenfiel.

Ich habe ein wirklich kraftvolles Zitat in einem TED-Vortrag in Bezug auf häusliche Gewalt gehört, in dem die Vortragende sagte „Missbrauch gedeiht in Stille". Ich glaube wirklich, dass das Sprechen über häusliche Gewalt und darüber, wie viele Menschen in ihrem Leben davon betroffen sind, das Thema ins Licht bringt und es für jemanden einfacher machen kann, um Hilfe zu bitten. Wenn es, für mich persönlich, eine einzige Sache gibt, die ich unbedingt mit der Einführung dieser Richtlinie erreichen möchte, dann ist es, dass jede*r, der oder die häusliche Gewalt erlebt oder erlebt hat, weiß, dass er oder sie nicht allein ist und dass es Unterstützung gibt.

Welchen Rat würden Sie Ihrem jüngeren Selbst gerne geben?

Oh je, es gibt so viele Ratschläge, die ich geben würde! Erstens, wenn man nicht fragt, ist die Antwort immer „Nein“. Zweitens, wenn andere Menschen dich einschränken, spiegelt das nur wider, was sie glauben, erreichen zu können und sagt nichts über dich aus. Also, höre gar nicht darauf und glaube immer an dich selbst.

Ein anderer Ratschlag, der mir sehr geholfen hat Wichtiges zu erledigen, ist „Ich habe keine Zeit“ durch „Es hat keine Priorität“ zu ersetzen. Zum Beispiel, „Meine Großeltern zu besuchen hat keine Priorität“ oder „Diesen Abgabetermin einzuhalten hat keine Priorität“. Wenn man es umdreht und es einem dann nicht richtig vorkommt, ist das ein gutes Zeichen, dass man es zu einer Priorität machen sollte. Wir sagen uns oft selbst, dass wir keine Zeit haben, wenn wir in Wirklichkeit die Zeit finden könnten.

Das Thema des letzten Internationalen Frauentags war „Choose to Challenge“. Was bedeutet das für Sie?

Studien haben gezeigt, dass Frauen sich nur auf eine Stelle bewerben, wenn sie denken, dass sie die Stellenanforderungskriterien zu 100% erfüllen, wohingegen Männer sich bewerben, wenn sie 60% erfüllen, und ich glaube das spricht Bände. Ich glaube, dass Frauen schnell denken eine Last zu sein, oder dass wir nicht einfordern sollten, was uns zusteht. Wenn wir aufwachsen, bringt die Gesellschaft uns bei, uns klein zu machen, nach einem unerreichbaren Ideal von Perfektion zu streben, zu glauben, dass wir herrisch oder aggressiv sind, wenn wir eine Meinung haben oder die Norm anzweifeln.

Es wird uns Frauen geradezu beigebracht, miteinander zu konkurrieren und es wird uns vermittelt, dass unser Wert mit steigendem Alter abnimmt, weil wir in den Augen der Gesellschaft als „weniger schön" gelten. Schon als ich Klein war, habe ich das Älterwerden immer gefürchtet und es geht mir immer noch ab und zu durch den Kopf, aber ich habe verstanden, dass ich Glück habe, die Möglichkeit zu bekommen, ein weiteres Jahr zu leben, wenn so viele diese Chance nicht erhalten, und wie erstaunlich es ist, dass ich ein weiteres Jahr Wissen und Lebenserfahrung gewonnen habe. Wenn wir zusammenarbeiten und diese Systeme und Überzeugungen in Frage stellen, sind wir eine starke Kraft. Wenn wir uns dafür entscheiden, die Vorstellung von der weiblichen Rivalität zu hinterfragen und stattdessen andere Frauen zu unterstützen und zu feiern, ist das ein Gewinn für uns alle.

Für mich heißt „Choose to Challenge“, jegliche Voreingenommenheiten, Diskriminierung, Rassismus und Ungleichheit kritisch zu hinterfragen. Es bedeutet, unsere unterbewussten Voreingenommenheiten auf den Prüfstand zu stellen, die Fehler zu erkennen, die wir als Einzelne gemacht haben und unsere eigenen Privilegien anzuerkennen. Es bedeutet, unbequeme Themen anzusprechen. Es bedeutet Fragen der Ungleichheit empirisch zu untersuchen und Expertenrat zu befolgen, um sie zu korrigieren. Es bedeutet, sich für Randgruppen stark zu machen.

Sich gegenseitig zu unterstützen ist immens wichtig, weil wir so alle gemeinsam etwas bewegen können. Wenn jemand aus einer „klassischen“ Randgruppe eine leitende Position erreicht, ebnet das den Weg für andere. Wir müssen uns zusammenschließen, zusammenhalten, und diejenigen, die in einer privilegierten Position sind, müssen ebenfalls Unterstützung leisten und die Gegebenheiten kritisch hinterfragen.